49-1-Beanstandung einer Zehnfachfrankatur 23.6.48

Beanstandung einer Zehnfachfrankatur aus der ersten Briefkastenleerung des 23.6.1948

 

Bekanntlich durften die bis zur Währungsreform frankaturgültigen Marken der Gemeinschaftsausgaben der Alliierten Besetzung (Michel-Nr. 911-970) in der Zeit vom 21.06.1948 - 23.06.1948 (Erste Briefkastenleerung) in der Bizone zu einem Zehntel ihres Nennwertes zur Frankatur verwendet werden. 



Gesetzliche Grundlage war § 2 der "1. Durchführungs-Verordnung zum Gesetz Nr. 61": 


(1) Vom 21. Juni 1948 gelten folgende Postwertzeichen:

      1. auf Deutsche Mark oder Pfennig lautende Briefmarken.

      2. überdruckte Briefmarken der bisher gültigen Ausgaben, deren Wert in Deutsche-Mark-    

         Währung noch besonders bekanntgegeben wird.

      3. Briefmarken der bisher gültigen Ausgaben, deren Wert in Deutsche-Mark-Währung auf 

         ein Zehntel des in Reichsmark oder Reichspfennig ausgedrückten Nennbetrages 

         festgesetzt wird.

 (2) Postsachen, die von der Post aus einem Briefkasten nicht später als bei der ersten  

      Entleerung des 21. Juni 1948 entnommen werden, gelten als ordnungsgemäß freigemacht, 

      soweit ihre Freimachung den bisherigen Vorschriften entspricht.


„Bereits mit Ablauf des 22.6.1948 wurden aber schon wieder die sogenannten 10-fach-Frankaturen untersagt. Nur noch Sendungen, die am 23.6.1948 bei der ersten Briefkastenleerung vorgefunden wurden, wurden nicht beanstandet. Spätere 10-fach-Frankaturen wurden in der Britischen und Amerikanischen Zonen allgemein mit Nachgebühr belegt.“[1]


Abb. 1,2:  Zu spät - Vorderseite einer Inlandspostkarte - gestempelt "Hamburg 1 23.6.48-16" und somit sicherlich nicht aus der 1. Briefkastenleerung, mit 1,5-facher Nachgebühr in Höhe von 18 Pfennig belegt - Rückseite mit Datum 23.6.48 und Information über ein Abwicklungskonto des Absenders im Zusammenhang mit der Währungsreform 

Es war eigentlich klar festgelegt, wie in der Bizone beim Übergang von der Reichsmark auf die Deutsche Mark frankiert werden konnte. Gleichwohl wurden auch Frankaturen beanstandet, wo es nichts zu beanstanden gab. Es war halt eine postalisch etwas unübersichtliche Zeit, obwohl sie in der Bizone, verglichen mit der Situation in Berlin, überschaubarer war.

In diesem Zusammenhang möchte ich beispielhaft den folgenden Brief vorstellen:


Abb. 3,4: Vorder- und Rückseite des beanstandeten Briefes

Absender des Briefes war die Ärztekammer Westfalen, Abt. Krankenernährung, Münster i. Westf., Empfänger die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des vereinigten Wirtschaftsgebietes, Referat I 6 b in Frankfurt/Main.

Der Beleg dürfte unstrittig aus dem Bedarf stammen.

Als Aufgabestempel wurde „Münster (Westf) 1 c 23.6.48 - 9“ abgeschlagen.

Frankiert wurde mit 10 Marken (Michel-Nr. 951) der II. Kontrollratsausgabe, insofern also für einen Fernbrief Inland bis 20 g portogerecht.

Gleichwohl wurde die Frankatur beanstandet, der Brief mit einem roten Nachgebühr-Stempel versehen und mit der 1,5- fachen Postgebühr beanstandet.

Postgebühr Fernbrief Inland bis 20 g = 24 Pfennig x 1,5 = 36 Pfennig

Grundlage der Berechnung war die Postordnung vom 30. Januar 1929:

§ 1 Allgemeines

„Für nicht- oder unzureichend freigemachte Briefe und Postkarten wird das Eineinhalbfache des Fehlbetrages unter Aufrundung auf volle Pf nacherhoben………“

Eine Nachgebühr wurde aber vom Adressat, der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des vereinigten Wirtschaftsgebietes, nicht entrichtet, sondern lediglich der Inhalt des Briefes entnommen.

Dies dokumentiert der vorderseitig auf dem Brief aufgebrachte Stempel „Inhalt entnommen Nachgebühren zahlt der Absender“ vom 28.Juni 1948.

Rechtsgrundlage dieser Möglichkeit ergab sich ebenfalls aus der Postordnung vom 30. Januar 1929:

§ 51 V Zahlung der Gebühren

„………Reichs- oder Staatsbehörden können nach der Annahme und dem Öffnen einer Sendung die darauf haftenden Gebühren vom Absender durch die Postanstalt einziehen lassen; dazu bedarf es bei Postkarten und Paketen eines schriftlichen Antrags, bei anderen Sendungen genügt die Rückgabe der Umschläge.“

Der Brief wurde mit einem weiteren roten Nachgebührenstempel und einem bläulich-lila Stempel „Zurück“ an den Absender versehen.

Die Ärztekammer in Münster verweigerte, wie der auf der Rückseite in Bleistift am 6/7 dokumentierte Vermerk belegt, die Annahme und somit auch die Zahlung einer Postgebühr.

Letztendlich erfolgte die Niederschlagung einer Nachgebührenerhebung am 7/7. 

Der zweizeilige Nachgebührenstempel und die auf dem Brief in blauer Schrift notierte 1,5-fache Postgebühr in Höhe von 36 Pfennig wurden mit Bleistift gestrichen.

Hatte der Absender, die Ärztekammer in Münster, darauf hingewiesen, dass der Brief, gestempelt am 23.6.48-9 Uhr, aus der 1. Briefkastenleerung stammt und somit nicht zu beanstanden war, oder kam ein Postbediensteter zu dieser Erkenntnis?

Diese Frage kann ich nicht beantworten.

 

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[1] Hans-Henning Mücke, Söhlde „Die Posthörnchenaufdruckmarken der Währungsreformzeit“ in: 50 Jahre Währungsreform – Eine Festschrift zum Briefmarken-Salon „50 Jahre Währungsreform“ im Berliner Rathaus am 27. und 28. Juni 1998, Arbeitskreis „Deutsche Nachkriegsphilatelie 1945 – 49 c/o Wolfgang Straub, Wasserweg 1, 61137 Schöneck (Redaktion)








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