46-1-Die Währungsreform erreicht Indien

Die Währungsreform erreicht Indien

- Eine nicht nur philatelistische Betrachtung einer Zehnfachfrankatur -

 

 

Vorgestellt wird eine Zehnfachfrankatur auf Postkarte (Ganzsache P 961), gelaufen von Beverungen nach Patna in Indien.

 

Derartige Belege dürften  in Kombination mit dieser Destination sicherlich nicht häufig vorkommen.

 

AK-Stempel Patna/Indien, vergrößert

 

Die Karte hat leider unten einen kleine Einriss.

Der Kauf des Beleges erfolgte in 2016 zum Preis von 150,00 € aus dem Festpreisangebot eines Auktionshauses (C. Gärtner, Bietigheim-Bissingen).

Im Michel Briefe-Katalog  2012/13 werden bei Zehnfachfrankaturen als Aufschlag zur Briefe-Notierung 300,00 € für einen Auslandsbrief gelistet, wobei aus meiner Sicht bei der Preisfindung sicherlich das Empfängerland und das Vorhandensein eines Ankunftsstempels mit zu berücksichtigen sind.

Die Karte wurde am 22.6.1948 in Beverungen, Britische Zone, aufgegeben und hat Patna in Indien, wie der abgeschlagene AK-Stempel dokumentiert, am 26.7.1948 erreicht.

Die Beförderungsdauer betrug somit 35 Tage.

Eine Beförderung der Karte mit Luftpost war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.

 

Gemäß Verfügung 93 des Amtsblattes 20 vom 16.4.1948 war ab 1.5.1948 die Versendung mit Luftpost in das Ausland nur in den folgenden Fällen eingeschränkt möglich:

 

  • Geschäfts- und Handelskorrespondenz für dafür ermächtigte Benutzer unter Verwendung der ab 1.5.1948 verausgabten Flugpost-Zulassungsmarken
  • Privatpersonen mit Luftpostleichtbrief (Aerogramm) die allerdings nicht gekauft, sondern nur gegen 2 Internationale Antwortscheine (IAS) erworben werden konnten

 

Erst ab 20.10.1948 bestand, allerdings ebenfalls nur eingeschränkt, auch für Privatpersonen die Möglichkeit per Luftpost ins Ausland zu versenden und die Postgebühren in bar zu entrichten.

 

Die zu zahlende Postgebühr betrug 30 Pfennig für eine Postkarte Ausland.

Als Frankatur wurden, zusätzlich zur 36 I in neuer Währung, verwendet:

 

- Ganzsache P 961         10 Rpf

- 960                            200 RPf

- 2 x  954                       80 Rpf

- 947                              12 Rpf

- 943                                2 Rpf

                                    304 Rpf

Die 304 alten Rpf ergeben, zu je einem Zehntel berücksichtigt, somit 30,4 Pfennig Frankaturwert.

Der Beleg ist also mit 4 alten Rpf und 2 neuen Pf überfrankiert.

Es ist nichts Außergewöhnliches , wenn derartige Belege leicht überfrankiert wurden, denn am nächsten Tag, dem 23.6.1948, verloren die alten, in RM erworbenen, Marken ihre Frankaturgültigkeit.

Es wurde eben verklebt, was vorhanden war, wobei die die 2 Rpf schon überflüssig waren.

Zusätzlich wurde aber eine 36 I, also 2 neue Pfennig der II. Kontrollratsausgabe mit Bandaufdruck, verklebt.

Es stellt sich die Frage, warum eine derartige Frankatur aufgebracht wurde.

Eine Begründung vermute ich im Text der Karte zu erkennen, aber dazu später.

Auch gibt der Text, der in Auszügen nachfolgend  vorgestellt wird, einen Einblick in diese besondere Zeit und beschreibt die Situation der Deutschen Bevölkerung, ihren Ängsten und auch ihren Nöten :

 

 

Hochwürden

Henry Westropp

S.J.   [Ordenskürzel  Societas Jesu, d. Autor]

 

St. Xavier `s

 

Patna

Indien

 

 

Lieber Vater Westropp,

 

die Währungsreform hat uns alle plötzlich arm gemacht. Unsere Ersparnisse betrugen letzte Woche 2000 $ und betragen jetzt 200 $. Ich habe Ihnen 2 große Umschläge geschickt, die  Missionsmarken enthalten......................Ich habe an F........, St. Louis, geschrieben, habe aber noch keine Antwort erhalten.

Wir sind jetzt in große Schwierigkeiten geraten. Wir beten um St. Jude` s [Vermutlich ist damit der Apostel  Saint Jude gemeint, d. Autor] Hilfe. Dies ist eine SOS-Karte an Sie. Können Sie helfen unser Leben zu retten?

Bis jetzt kam noch keine Unterstützung aus den USA bei uns an. [Vermutlich ist die Jesuitenverbindung zur USA gemeint, d. Autor]............Können Sie nicht aus Indien helfen? Meine Frau und ich...beide Vollakademiker. Wir sind ausgebildet, jung und physisch fit und würden Stellen in Indien akzeptieren,da das Leben hier wie in einem 1-Millionen-Menschen-Lager ist...................Bitte schicken Sie Internationale Antwortscheine, ich kann das Porto nicht bezahlen [Sicherlich um mit Aerogramm zu korrespondieren, d. Autor].........Lasse Marken auf der Karte! Das ist eine philatelistische Rarität.......... Zehnfachfrankatur 3.0 RM = 0.30 RM [müsste natürlich 0.30 DM heißen, d. Autor].......Nur zugelassen 21. und 22. Juni 1948 während der Währungsreform …...Wir beten für Sie und Ihre Missionsarbeit.....

 

 

….Ihr Dr. C. Krüger

 

 

Ich vermute, dass Absender und Empfänger nicht nur privat oder als Jesuiten, sondern auch philatelistisch miteinander verbunden waren.

War das der Grund, warum zusätzlich die 943 der II. Kontrollratsausgabe und die 36 I verklebt wurden?

Wollte Dr. Krüger seinem Sammlerfreund in Indien zeigen, wie die alten und die neuen Postwertzeichen im Vergleich aussehen?

Da waren die 2 Pfennige der 36 I selbstverständlich die preisgünstigste Möglichkeit.

 

Nach Recherche im Internet ergaben sich noch folgende Erkenntnisse, die vielleicht von Interesse sein könnten:

Indien erlangte 1947 die Unabhängigkeit und war somit zum Zeitpunkt der Karte keine Britische Kolonie mehr.

Bei dem Empfänger in Patna dürfte es sich sicherlich um eine Lehrkraft handeln, die auch Jesuit war, deshalb auch die Anrede als Father, welches auch mit Pater übersetzt werden kann.

Unter der Anschrift St. Xavier `s ist auch noch aktuell  eine 1940 von Jesuiten gegründete Hochschule in Patna/Indien zu erreichen.

Francisco de Xavier  war Mitbegründer des Jesuitenordens.

 

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